Zart aufkeimenden Frühlingsgefühlen ließ das Sommerhalbjahr 2003 eigentlich keinen Raum, denn schon eine Woche nach Ostern setzte eine frühe Hitzewelle ein, die – wenn man von je einer kühleren Woche Mitte Mai und Mitte August absieht – vier glutvolle Monate hindurch anhielt…
Mitte Mai fiel übrigens auch der Wermutstropfen in das österreichische Weinglas, und zwar in Gestalt eines verheerenden Hagelsturmes, der weite Teile der Wiener Weinberge verwüstete und die Ernte drastisch reduzierte. Ansonsten verlief die Blüte bei trockenem und warmen Wetter weitgehend unproblematisch.
Der heiße und nahezu niederschlagsfreie Sommer sorgte dann für einen raschen Vegetationsvorsprung, wenn auch die jungen Reben da und dort unter der Trockenheit zu leiden hatten. Unter den vorherrschenden südlichen Klimabedingungen – so hatte etwa Graz mehr als 40 Tropentage zu verzeichnen – war überhaupt flexibles Handeln gefragt. Wer in „normalen“ Jahren mit sorgsamem Freistellen der Traubenzone erfolgreich war, tat diesmal gut daran, die Blätter am Stock zu lassen, um die heranwachsenden Beeren nicht einem frühzeitigen Sonnenbrand auszusetzen; auch eine Konkurrenzierung der Weinreben durch andere Pflanzen war bei dem beschränkten Wasserhaushalt von 2003 sicher nicht ideal.
So früh wie noch nie begann schließlich Ende August am Ostufer des Neusiedlersees die Weinernte: Lesezeitpunkte, wie der 20. August für Sauvignon Blanc oder der 25. August für Pinot Noir, die eher an sizilianische Verhältnisse erinnern, waren dort die Regel; auch für den Zweigelt und St. Laurent konnte in den österreichischen Hitzepolen nicht mehr allzu lange zugewartet werden, da man nach den Erfahrungen mit dem Jahr 2000 eingeschrumpfte und „rosinierte“ Beeren unbedingt vermeiden wollte. Am letzten Augustwochenende schlug dann das Wetter plötzlich um und die Temperaturen fielen um mehr als 10 Grad ab.
Es erfolgte zwar eine baldige Wetterberuhigung und ein überaus sonniger „Altweibersommer“ im September, doch die Nächte blieben kühl und frisch, sodass die Zuckerreife langsamer voranschritt, aber die Aromenbildung stark gefördert wurde; größere Niederschläge blieben bis Mitte Oktober weiterhin aus, sodass das Traubengut von perfekter Gesundheit war.
Breites Spektrum für die Weißen
Auch in einem Hitzejahrgang wie 2003, der tendenziell höhere Alkohol- und niedrigere Säurewerte erbringt, ist in einem Weissweinland wie Österreich eine große Spannweite an Weissweintypen gegeben. Auch wenn ein solches Jahr nicht gerade für die leichteren, fruchtig-frischen Weissen prädestiniert ist, konnten bei entsprechend frühem Lesezeitpunkt doch auch rassige und fruchtbetonte Weissweine mit der von den österreichischen Weinliebhabern so geschätzten Säurestruktur gewonnen werden.
Ein Fragezeichen wird freilich durch die bekannte Trockenheit aufgeworfen, die etwa 2000 zu erhöhtem Gerbstoffgehalt und damit mehr oder weniger deutlich schmeckbaren Bitterstoffen geführt hat. Apropos 2000: Werden die heurigen Weissen mit diesem letzen Hitzejahr oder etwa mit 1992 vergleichbar sein? Auch wenn der Zeitpunkt für eine endgültige Beantwortung noch zu früh ist, so sind doch die zuvor erwähnten Septembernächte ein großer Hoffnungsträger, sofern die Säure nicht zu tief gepurzelt ist. Wie stark die Fruchtaromen innerhalb von drei, vier Wochen zugenommen und damit den Trauben mehr Tiefe und Harmonie verliehen haben, war jedenfalls ebenso faszinierend wie überraschend.
Der Sortentypus scheint ebenfalls gut ausgebildet sein, sodass schon im Frühstadium Riesling, Veltliner und Chardonnay gut zu unterscheiden sind. Bei den aromatischen Sorten kündigen sich beispielsweise tolle Muskateller an, während bei den Sauvignons abzuwarten ist, ob sie unter dem Trockenstress gelitten haben und für die Traminer die vielfach niedrige Säure Probleme bereiten könnte. Besonders gut sind aufgrund des idealen pH-Gehalts die Perspektiven für die im Barrique vergorenen Weissweine, etwa von der Burgunderfamilie oder aus dem kapriziösen Rotgipfler.
Für die Dessertweinspezialitäten zeichnen sich für das Weinjahr 2003 geringe Quantitäten ab, da die noch erhoffte Botrytis nur in sehr bescheidenem Ausmaß aufgetreten ist und bis Mitte Dezember auch keine Eiswein-Temperaturen in Sicht waren.
Grandiose Rotweine
Bedeutend einfacher ist es, ein erstes Resümee über die zu erwartenden Rotweinqualitäten zu ziehen. Das Motto lautet ganz einfach: Wer dieses Jahr keinen exzellenten Rotwein hervorgebracht hat, ist selbst Schuld. Enorm farbtief strömen selbst die Burgundersorten ins Glas, dunkelbeerige, tiefe Fruchtaromen paaren sich mit ungewöhnlichem Körperreichtum, sodass generell ebenso geschmeidige wie fleischige Rotweine zu erwarten sind. Die da und dort gehörten Vorbehalte wegen des Witterungsverlaufes sind schwer nachzuvollziehen, weil es für Sorten wie Blaufränkisch, Cabernet, Merlot oder Syrah in unseren Breiten gar nicht genug Sonne geben kann, und die ersten Proben zeigen auch eindeutig mehr Frucht und Biss als die vergleichbaren 2000er.
Auch Zweigelt und St. Laurent punkten mit feinem Fruchtschmelz, während für die Blauburgunder abzuwarten ist, ob die sommerliche Hitze ihrer feingliedrigen Struktur zuträglich war – substanzreiche, ja üppige rote Gewächse sind in jedem Fall vorauszusehen. Besondere Hoffnungen setzen Österreichs Spitzenwinzer dieses Jahr unter anderem auf die in sensationeller Frühform befindlichen Blaufränkischen und Cabernets.
Auf diese Weine kann man sich freuen!
Quelle: ÖWM