vom steirischen Küchenmeister Peter Springer
Während der letzten Jahren hat sich in Österreich auf dem Küchensektor ein gar nicht so kleines Wunder ereignet. Und dieses Wunder scheint sich fortsetzen zu wollen: Ehrgeizigen Köche, die mehr anstreben als eine 0815 Gastronomie, wachsen wie Schwammerl aus dem Boden. Wer oder was hat es ausgelöst?
Küchenmeister Peter Springer hat sich Gedanken zu diesem Thema gemacht und uns diesen Gastartikel zur Verfügung gestellt!
Das herzhaft-Team sagt DANKE!
Es ist inzwischen allgemein bekannt, dass sich in Österreich in den letzten Jahren auf dem Küchensektor ein gar nicht so kleines Wunder ereignet hat. Und dieses Wunder scheint sich fortsetzen zu wollen.
Nach wie vor wachsen die ehrgeizigen Köche, die mehr anstreben als eine 0815 Gastronomie, wie Schwammerl aus dem Boden. Es vergeht kaum ein Monat, wo nicht ein neues Lokal eröffnet wird, das zumindest einen Besuch wert ist.
Wie ist so was möglich? Wer oder was hat es ausgelöst?
Ohne Zweifel bedurfte es einiger Avantgardisten, die es wagten, dieses Neuland zu betreten. Dazu war ein gewisses Selbstbewusstsein von Nöten, die Überzeugung, dass man es besser weiß und kann als das damals vorhandene Publikum. Hätten damals nicht eine Handvoll Pionier-Köche etwas – im schlimmsten Fall ihre ökonomische Existenz (so ist es auch heute noch!) – riskiert, dann äßen wir heute noch die guten alten zerkochten Kartoffeln und Pommes frites, zusammen mit eingedicktem Gemüse. Von „Moden“ konnte damals keine Rede sein und auch heute noch nicht, aber es musste Köche geben, die es sich zu Herzen nahmen, um den Gast, der als König galt und ist, zu erziehen.
Und siehe da, wir hatten Erfolg. Denn alle profitierten davon, dass es nun ein qualifiziertes Publikum gibt. Denn in der Tat stellen sich die Modetrends ein. Jetzt weiß keiner mehr so recht, was er eigentlich will!
Ängstlich oder sogar auch begierig schielt man danach, was gerade „in“ ist. Dass die Mode freilich auch in der Gastronomie gelegentlich einer augenblicklichen Laune zu folgen scheint, lässt sich nicht leugnen. Wer weiß, wohin das führen kann. Suppen und Portionen werden so sparsam angerichtet, dass sie schon verschwunden sind, noch ehe man mit dem Teelöffel ihre Herkunft feststellen darf. Doch auch diese Laune scheint im Abklingen zu sein. Es gibt schon wieder genug Restaurants und Betriebe, wo man wieder eine ordentliche Schale Suppe bekommt.
Aber eines muss auch gesagt werden. Die Restaurantbesucher sind nicht weniger für Einflüsterungen und SCHICKI-MICKI empfänglich als deren Köche und Patrons. In unserer schnelldrehenden Zeit ist jetzt ein Konsumenten- und ein Kochtypus gereift und/oder herangebildet worden: Der, der ständig nach neuen Sensationen giert, für den das gestern noch Begehrte heute schon fad und abgedroschen schmeckt! Daran sind aber auch unsere lieben Tester schuld, die dauernd beteuern, dass die Kreativität der Köche stagniert! Wie verhält man sich aber, wenn der Kunde konservativer ist als er Koch, wenn er dessen Vorschlägen im Weg steht? Soll sich der Koch oder Meister dann am Kundenwunsch orientieren? Sich diesem unterordnen? Oder soll er auf seinem Standpunkt beharren, seine Linie mit aller Energie durchsetzen wollen? Die Antwort ist verdammt schwierig, vor allem wegen der kosmopolitischen Gästeschicht, die aus allen Lagern kommen.
Endlich aber, gerade noch nicht zu spät, hat sich in Österreich das Bewusstsein entwickelt und etabliert, dass Kochen eine Kunst ist, deren man sich nicht zu schämen braucht. Nicht weniger als das Komponieren oder die Dichtkunst. Aber mehr als jene ist das Kochen gerade bei uns noch immer ein Dienstleistungsgewerbe und der still vor sich hin kochende Künstler, dem es ausschließlich ums experimentieren geht, ist doch eher die Ausnahme. Man will in erster Linie verkaufen und Geschäfte machen. Hier gilt es einen Ausweg zu finden, zwischen den Ansprüchen des Käufers und den wirtschaftlichen Faktoren, zwischen Ruhm und Kunst und der NOTWENDIGKEIT ZU ÜBERLEBEN!! Mit anderen Worten, gesucht wird der Koch und Patron, der sich zu realisieren vermag, ohne deshalb pleite zu gehen.
Abgelehnt wird der Koch und Küchenzampano, der sich von Moden oder Kunden vorschreiben lässt, was er zu tun hat. Ich halte die Ansicht, der Kunde habe immer recht, für falsch und schon lange überholt. Schließlich ist immer noch der Koch der Fachmann, nicht der Esser!
Gewiss, dem Gast soll es schmecken, aber man kann von ihm erwarten, dass er lernfähig ist. Fast Food Abfütterungen gibt es ja mehr als genug, und dafür haben wir ja auch die ABCDE Gastronomie.
Es gibt Betriebe, in denen ein höheres Maß an Kreativität gerechtfertigt ist, ja geradezu vorausgesetzt wird, und es gibt andere, wo ein stärkeres Eingehen auf die vorhandene Kundschaft erforderlich ist.
Für ein spezifisches Hotel oder auch Restaurant muss die Antwort sicher anders lauten als etwa für eine Betriebskantine. In beiden wird gut gekocht, aber eben den Umständen
entsprechend. Was an einem Ort richtig ist, kann am anderen ganz falsch sein.
Nichts ist so peinlich und so ärgerlich für den Kunden, wie frischer Ehrgeiz, mit dem das Können des Koches nicht Schritt hält.
Im übrigen herrscht gerade bei unsicheren Köchen – und jetzt bin ich beim Kernpunkt des Übels – häufig ein Missverständnis! Sie meinen, je ausgeflippter, ausgefallener und exotischer ein Produkt ist, desto besser und erfolgversprechender muss das Endresultat sein.
Mir hat noch nie eingeleuchtet, warum ein Fruchtsalat aus exotischen Früchten besser sein sollte, als einer aus heimischen, saisonalen Produkten. Er schmeckt sicher anders, aber besser … ?
Dass jemand nachahmt, stört weniger, als dass die Nachahmung oft nicht gelingt. Dabei könnten viele Köche, die miserabel nachgemachte Gerichte einer ausländischen Küche servieren, vorzüglich ihre Arbeit leisten, wenn sie sich auf das beschränken und berufen, was sie wirklich können und gelernt haben, und was eben auch dem Umfeld, sprich der Region ihres Betriebes entspricht.
Es gibt sicher gute Ideen, die manche Restaurants von anderen haben und man freut sich, ihnen wieder zu begegnen aber es gibt andere, die einfach lächerlich wirken, wenn sie im unpassenden Ambiente ohne das nötige Können kopiert werden.
Man lasse sich nicht einschüchtern von den Testern und Kritikern, meine Herren! Man lasse sich nicht einschüchtern mit dem Vorwurf, zu konservativ zu kochen, auch die experimentelle Küche lasse keinen Vorwurf zu. Wir brauchen eben alles: die konservative, die experimentelle, die gut bürgerliche und regionale, dann noch die avantgardistische Küche, für alle gibt es Kunden und Nachfrager …
Es ist außerdem erfreulich, dass – wenn auch mit großer Verspätung – uns bewusst wurde, dass man auch mit den Augen isst. Auf optischem Gebiet freilich wirkt sich ein Nichtkönnen und eine Unsicherheit böse aus. Die Unsicherheit hat oft ihren guten Grund: Das Kochen zu „können“ hat ein Chef in den meisten Fällen gelernt, dass aber ein Koch als graphisches Naturtalent geboren wurde, ist eher eine Ausnahme. So klammert dieser sich dann an vorgegebene Muster! Nämlich an die mit viel Aufwand hergestellten Fotos, die immer oder sehr oft „zum Anbeißen“ ausschauen, in der Regel aber kaum eine persönliche Handschrift widerspiegeln. Meistens wird dabei sogar die Grenze zum Kitsch überschritten. Es wird daran herummodelliert, hinzugefügt, verziert und am Ende kommt ein überladenes Stilgemisch heraus.
Viel Unheil angerichtet haben Gault Millau, für die bekanntlich Kreativität ein großes wenn nicht sogar das größte Kriterium bei der Beurteilung ist. So erfreulich es ist, dass es immer wieder solche Köche gibt, deren Leistung gewürdigt wird, aber man sollte es nicht zum Dogma erheben und damit viele hervorragende Köche überfordern. Das ist, als wollte man aus allen musikalischen Menschen Komponisten machen. Ich bin der Meinung, es muss auch Sänger und Instrumentalisten geben!
Denken wir darüber nach! Was das Essen angeht, sind nun mal die Köche die besten Lehrmeister und jeder sollte das lehren, was er am besten kann …
KM SPRINGER Peter